So viele Radler wie in Patagonien haben wir bislang noch nie auf einen Haufen getroffen, fast täglich kommt uns entweder jemand entgegen oder fährt in unsere Richtung. So fanden wir einige wichtige Anhaltspunkte über unsere Reiseroute heraus, z.B. wo es gute Übernachtungsplätze oder Verpflegung gibt.
Den Weg an der Küste bis nach Ecuador kann man nicht komplett auf chilenischer Seite mit dem Rad befahren, sondern man muss mehrmals die Grenze zwischen Chile und Argentinien überqueren. Auch weht hier unten, wie ihr ja schon wisst, die Mutter aller Winde und natürlich auch meistens gerade noch aus der Richtung, in die wir fahren wollen. Da was Windgeschütztes am Abend zu finden, ist nicht gerade einfach, viele Radler übernachten in sauengen Buswartehäuschen, aber da geht man selbst zu zweit fast nicht rein, daher haben wir das bislang nicht gemacht.
Auch mussten wir feststellen, dass unsere Räder im Vergleich zu den meisten anderen Radlern jetzt etwas zu schwer bepackt wirken. Naja, die meisten Radler hier sind auch noch nicht um den halben Globus gedüst, sondern machen „nur“ Südamerika.
In Punta Arenas gibt es die Zona Franca (Freihandelszone), in der man unter anderem auch Outdoorequipment bekommt. Wer sich hier also noch verhältnismäßig billig eindecken will, sollte das hier machen. So wie wir, die jetzt beschlossen hatten, im weltberühmten Nationalpark Torres del Paine ein paar Tage wandern zu gehen und dafür ein paar Rucksäcke brauchten. Die kann man zwar auch leihen, aber auch im weiter nördlich liegenden El Chaltén wollen wir auch noch etwas wandern, also wird es sich schon auszahlen.
verfasst von dennis
Wir kauften also riesige 70 Liter Billigrucksäcke (für jeweils ca. 15 Euro) und hofften, dass diese uns auf unserer Rundtour um die Türme (Torres) nicht im Stich lassen würden. Der Weg von Punta Arenas bis zum Nationalpark war asphaltiert und wir gewöhnten uns an, noch vor Sonnenaufgang aufzubrechen, um in den frühen Morgenstunden ein Weilchen ohne heftigen Wind zu fahren. Mitunter wurde der Wind mittags so stark (mit Böen von 100 km pro Stunde aus Nordosten und stetigem Wind von 70 km pro Stunde), dass Fahren nicht mehr möglich war (was wir nach ein paar harmlosen Stürzen einsehen mussten).
In der nächsten größeren Stadt Puerto Natales kauften wir Proviant für 19 Tage ein, da wir uns über das Angebot in dem einzigen kleinen Dorf bis zur nächsten Stadt nicht klar waren und das Essen im Nationalpark extrem teuer sein sollte. Sehr schwer bepackt ging es weiter. Der Asphalt begleitete uns bis kurz vor den Nationalpark, während sich der Wind (zusammen mit der Pampa) glücklicherweise schon vorher verabschiedete. Doch dann begegnete uns der bisher übelste Schotterweg unserer Reise. Eine 30 Kilometer lange Wellblechpiste, auf der wir uns nur noch außerordentlich langsam vorantrauten. Hier verlor Dennis ein paar Schrauben, einen Haken einer Vorderradtasche und das Befestigungskabel für seine Lenkertasche riss, zudem brachen bei seinem Hinterrad zwei Speichen.
Im Nationalpark angelangt entschädigten uns die unglaublichen Ausblicke auf hochaufragende Felsen und Flamingo-besuchte Lagunen unterschiedlichster Farben. Wir stellten unsere Räder bei einem Hotel ab und starteten unsere Rundtour, ausgerüstet mit einem Schlafsack, zwei Isomatten, dem schweren Zelt, Kocher, Stirnlampen, Handtuch, Seife, Fotoapparat, zwei Büchern und Essen für 10 Tage. Lediglich ein zweites Paar Socken zum Wechseln habe ich schmerzlich vermisst. Der Weg war nämlich extrem staubig und zum Teil matschig, so dass ich in meinen Sandalen zum Teil auf vor Dreck steinharten Socken wanderte. Waschen war zwar möglich, doch um das Trocknen der Socken in kaltem Wetter zu gewährleisten, musste ich die nassen Socken anziehen und über Nacht durch die Körperwärme trocknen. Aber bloß nicht mit den nassen Zeug in den Daunenschlafsack, nein, die Wärme im Zelt musste ausreichen.
Wegen unserer vom Radfahren stark zurückgebildeten Wandermuskulatur planten wir mit gemütlichen Tagesstrecken von 4 bis 6 Stunden Wandern pro Tag. Am ersten Tag ließen wir unsere tonnenschweren Rucksäcke im Zelt und wanderten zu den Torres. Die Wege waren aufregend und abwechslungsreich und anstrengend. Außer uns waren noch jede Menge anderer Touristen unterwegs nach oben oder nach unten und ein ständiges „hola“ war auszutauschen, manchmal freundlich, manchmal keuchend, manchmal gelangweilt. Der Anblick am Aussichtspunkt war dann umwerfend. Wir packten unser karges Wander-Mittagsmahl aus, eine Packung Kekse mit drei Scheiben Käse und einen Schokoriegel, und genossen eine Stunde den fantastischen Ausblick. Völlig überrascht stellten wir fest, dass Wandern bei Weitem nicht so hungrig macht wie Radfahren – zum Glück 🙂
Der nächste Tag fing für mich übel an. Ich hatte von der 10 stündigen Wanderung solchen Muskelkater in den Waden, dass gerade beim bergabgehen jeder Schritt schmerzte und ich nur mit winzigen Minischritten vorankam. Zusätzlich lastete der Rucksack ungewohnt schwer auf unseren Schultern. So brauchten wir für die extrem großzügig angegebenen 4 Wanderstunden tatsächlich 6 und kamen völlig fertig beim Zeltplatz an, ich mit Muskelkater und Dennis mit Schulterzerrung. Als ich dann auch noch unser mühselig zubereitetes Abendessen verschüttete und wir ohne Essen ins Zelt krochen, begannen wir unsere Wanderentscheidung schon zu bereuen. Doch am nächsten Morgen bissen wir die Zähne zusammen und wanderten weiter, bis schließlich sogar am dritten Tag mein Muskelkater verschwand! Die Rucksäcke wurden leichter, die Wanderer weniger, die Strecken anspruchsvoller doch auch landschaftlich reizvoller. Wir kamen an Gletschern vorbei, kreuzten Flüsse, überquerten einen Pass, ertrugen Regen, begrüßten Sonnenschein, bestaunten die sich ständig ändernden Bergspitzen.
Die zweite Hälfte unserer Tour führte durch das touristisch zugänglichere „W“ und wir begegneten plötzlich wieder jeder Menge Leuten. An einem Regentag blieb Dennis im Camp zum Lesen und ich machte mich allein auf zum Mittelteil des „W“, einem Aussichtspunkt in der Mitte des Gebirges. Die Stille um mich herum war wundervoll und nach dem ganzen Wandertraining kam ich ohne Rucksack beschwingt und schnellen Schrittes voran. Auf einmal überholte ich Leute und stellte überrascht fest, dass Wandern auch ein Wettbewerb ist. Zum Teil zog sich das Überholen über Minuten dahin, weil entweder der Weg blockiert wurde oder die Wanderer vorne plötzlich ein schnelleres Tempo versuchten. Mein Ziel, der Aussichtspunkt, hatte leider fast keinen Reiz im Regen und so machte ich mich schnell wieder auf den Weg nach unten. Nach 8 Tagen waren wir wieder an unserem Ausgangspunkt angelangt, wir hatten die Umrundung geschafft, sogar schneller als geplant!
Dennis hatte die Umrundung jedoch lediglich „überlebt“ und empfand das Bergwandern als Vernichtungsmaschine für unsere Ausrüstung. Seine Bilanz unseres Ausflugs, zusätzlich zu den oben erwähnten Fahrradteilen:
- Hosenbeine von zwei Hosen in Fetzen
- Das Kabel für unser Solarladegerät gab mal wieder den Geist auf
- Riss in der Zelttasche
- Zwei Heringe komplett verbogen
- Budget komplett gesprengt: ca. 25 Euro Eintritt p.P und ca. 15 Euro Übernachtungsgebühr pro Tag.
Wir nahmen unsere Fahrräder wieder in Empfang und reisten nach Argentinien ein, mit dem Ziel El Calafate und der dortigen Touristenattraktion, dem Perito Moreno Gletscher. Da wir endlich mal Richtung Osten fuhren (Rückenwind!), warteten wir bis zum Nachmittag und ließen uns vom heftigen Rückenwind den Weg entlangrollen. Da es noch ganz leicht nach unten ging fuhren wir fast ohne zu treten mit 20 bis 30 km pro Stunde nach Tapi Aike. Dort konnten wir bei einem Häuschen von Straßenbauarbeitern zelten und deren Küche benutzen. Natürlich trafen wir dort auch wieder Radler – besonders angenehme Zeltplätze sprechen sich herum. Nach einer weiteren Strecke Schotter erreichten wir wieder ein Straßenbauhäuschen und andere Radler. Hier konnten wir in einer Hütte schlafen und sogar duschen.
Jetzt mussten wir wieder nach Westen weiter und das bedeutete eigentlich Gegenwind. Wir brachen also früh auf und konnten unser Glück kaum fassen. Der Wind hatte gedreht und wir hatten tatsächlich noch einmal Rückenwind. So kamen wir einen Tag früher als geplant in El Calafate an. Zunächst fanden wir kostenlosen Unterschlupf in einer zum Teil niedergebrannten Hippie-WG, doch wegen einer großen Party, für die jeder Platz benötigt wurde, zogen wir auf einen nahegelegenen Campingplatz.
El Calafate scheint eine Stadt zu sein, die ausschließlich für Touristen gebaut ist. Überall gibt es teure, süße Souvenirläden. Die Outdoorläden bieten Hightechwaren an, die sich die Einheimischen kaum leisten können und schon vor dem ersten klassischen Radladen wurden wir vor den Preisen gewarnt. Die Geschäfte, die wir suchten, um unsere kaputte Ausrüstung reparieren zu lassen, befanden sich jedoch häufig in Privathäusern und waren billig. So klopften wir an eine Wohnungstür und wurden zu einer Werkstatt im Hinterhof geführt, wo unsere Räder begutachtet wurden und wir mit einem Set Ersatzschrauben und einem Ersatzkabel für die Lenkertasche ausgestattet wurden. Unser Kabel für das Solarladegerät wurde in einem langwierigen Prozess repariert, leider mit dem unerklärlichen Nachteil, dass sich unser Handy nicht mehr laden lässt. Auch Dennis Wanderschuhe wurden geflickt.
Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Bus zum Gletscher. Nicht die Länge des Gletschers warf uns um, das kannten wir schon vom Greygletscher im Torres del Paine Park. Aber die 50 – 60 Meter hohe Gletscherkante, aus der immer wieder tosend große Stücke herausbrachen, beeindruckte uns sehr. Die Eisschollen glitzern in intensiven Blautönen. Wir hatten ein paar Stunden Zeit, den Gletscher aus verschiedenen Perspektiven zu bewundern.
Als nächstes führt uns unser Weg nach El Chaltén, wieder mal ein Wanderparadies…
verfasst von martina
Übrigens haben wir unsere Statistik-Seite auch mal um ein paar Bilder erweitert, nur für den Fall, dass das interessant ist für euch…