Leben am Horizont

Mit den Rädern in die Welt


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Zwischen Torres del Paine und El Calafate

So viele Radler wie in Patagonien haben wir bislang noch nie auf einen Haufen getroffen, fast täglich kommt uns entweder jemand entgegen oder fährt in unsere Richtung. So fanden wir einige wichtige Anhaltspunkte über unsere Reiseroute heraus, z.B. wo es gute Übernachtungsplätze oder Verpflegung gibt.

Sonnenaufgang im Nebel

Sonnenaufgang im Nebel

Flamingos

Flamingos

Den Weg an der Küste bis nach Ecuador kann man nicht komplett auf chilenischer Seite mit dem Rad befahren, sondern man muss mehrmals die Grenze zwischen Chile und Argentinien überqueren. Auch weht hier unten, wie ihr ja schon wisst, die Mutter aller Winde und natürlich auch meistens gerade noch aus der Richtung, in die wir fahren wollen. Da was Windgeschütztes am Abend zu finden, ist nicht gerade einfach, viele Radler übernachten in sauengen Buswartehäuschen, aber da geht man selbst zu zweit fast nicht rein, daher haben wir das bislang nicht gemacht.

Übernachtung im Stall in Villa Tehuelches

Übernachtung im Stall in Villa Tehuelches

Windgeschützte Hütte in Morro Chico

Windgeschützte Hütte in Morro Chico

Die schweizer Radler Beat und Lucia. Mittlerweile haben wir uns schon häufiger mal getroffen

Die schweizer Radler Beat und Lucia. Mittlerweile haben wir uns schon häufiger mal getroffen

Auch mussten wir feststellen, dass unsere Räder im Vergleich zu den meisten anderen Radlern jetzt etwas zu schwer bepackt wirken. Naja, die meisten Radler hier sind auch noch nicht um den halben Globus gedüst, sondern machen „nur“ Südamerika.

In Punta Arenas gibt es die Zona Franca (Freihandelszone), in der man unter anderem auch Outdoorequipment bekommt. Wer sich hier also noch verhältnismäßig billig eindecken will, sollte das hier machen. So wie wir, die jetzt beschlossen hatten, im weltberühmten Nationalpark Torres del Paine ein paar Tage wandern zu gehen und dafür ein paar Rucksäcke brauchten. Die kann man zwar auch leihen, aber auch im weiter nördlich liegenden El Chaltén wollen wir auch noch etwas wandern, also wird es sich schon auszahlen.

Auf dem Weg nach Puerto Natales

Auf dem Weg nach Puerto Natales

Kormorane in Puerto Natales

Kormorane in Puerto Natales

verfasst von dennis

Wir kauften also riesige 70 Liter Billigrucksäcke (für jeweils ca. 15 Euro) und hofften, dass diese uns auf unserer Rundtour um die Türme (Torres) nicht im Stich lassen würden. Der Weg von Punta Arenas bis zum Nationalpark war asphaltiert und wir gewöhnten uns an, noch vor Sonnenaufgang aufzubrechen, um in den frühen Morgenstunden ein Weilchen ohne heftigen Wind zu fahren. Mitunter wurde der Wind mittags so stark (mit Böen von 100 km pro Stunde aus Nordosten und stetigem Wind von 70 km pro Stunde), dass Fahren nicht mehr möglich war (was wir nach ein paar harmlosen Stürzen einsehen mussten).

In der nächsten größeren Stadt Puerto Natales kauften wir Proviant für 19 Tage ein, da wir uns über das Angebot in dem einzigen kleinen Dorf bis zur nächsten Stadt nicht klar waren und das Essen im Nationalpark extrem teuer sein sollte. Sehr schwer bepackt ging es weiter. Der Asphalt begleitete uns bis kurz vor den Nationalpark, während sich der Wind (zusammen mit der Pampa) glücklicherweise schon vorher verabschiedete. Doch dann begegnete uns der bisher übelste Schotterweg unserer Reise. Eine 30 Kilometer lange Wellblechpiste, auf der wir uns nur noch außerordentlich langsam vorantrauten. Hier verlor Dennis ein paar Schrauben, einen Haken einer Vorderradtasche und das Befestigungskabel für seine Lenkertasche riss, zudem brachen bei seinem Hinterrad zwei Speichen.

Blutroter Sonnenaufgang

Blutroter Sonnenaufgang

Die "Torres" aus der Ferne

Die „Torres“ aus der Ferne

Ein paar neugierige Guanacos

Ein paar neugierige Guanacos

Ja, vor dieser Kulisse kommen sie richtig zur Geltung

Ja, vor dieser Kulisse kommen sie richtig zur Geltung

Im Nationalpark angelangt entschädigten uns die unglaublichen Ausblicke auf hochaufragende Felsen und Flamingo-besuchte Lagunen unterschiedlichster Farben. Wir stellten unsere Räder bei einem Hotel ab und starteten unsere Rundtour, ausgerüstet mit einem Schlafsack, zwei Isomatten, dem schweren Zelt, Kocher, Stirnlampen, Handtuch, Seife, Fotoapparat, zwei Büchern und Essen für 10 Tage. Lediglich ein zweites Paar Socken zum Wechseln habe ich schmerzlich vermisst. Der Weg war nämlich extrem staubig und zum Teil matschig, so dass ich in meinen Sandalen zum Teil auf vor Dreck steinharten Socken wanderte. Waschen war zwar möglich, doch um das Trocknen der Socken in kaltem Wetter zu gewährleisten, musste ich die nassen Socken anziehen und über Nacht durch die Körperwärme trocknen. Aber bloß nicht mit den nassen Zeug in den Daunenschlafsack, nein, die Wärme im Zelt musste ausreichen.

Falls ihr euch je gefragt haben solltet, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht (oder in diesem Fall Guten Morgen) sagen ...

Falls ihr euch je gefragt haben solltet, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht (oder in diesem Fall Guten Morgen) sagen …

...dann werdet ihr in den Torres del Paine fündig. Nein, leugnen ist zwecklos, wir haben euch nur um eine Minute verpasst.

…dann werdet ihr in den Torres del Paine fündig. Nein, leugnen ist zwecklos, wir haben euch nur um eine Minute verpasst.

Wegen unserer vom Radfahren stark zurückgebildeten Wandermuskulatur planten wir mit gemütlichen Tagesstrecken von 4 bis 6 Stunden Wandern pro Tag. Am ersten Tag ließen wir unsere tonnenschweren Rucksäcke im Zelt und wanderten zu den Torres. Die Wege waren aufregend und abwechslungsreich und anstrengend. Außer uns waren noch jede Menge anderer Touristen unterwegs nach oben oder nach unten und ein ständiges „hola“ war auszutauschen, manchmal freundlich, manchmal keuchend, manchmal gelangweilt. Der Anblick am Aussichtspunkt war dann umwerfend. Wir packten unser karges Wander-Mittagsmahl aus, eine Packung Kekse mit drei Scheiben Käse und einen Schokoriegel, und  genossen eine Stunde den fantastischen Ausblick. Völlig überrascht stellten wir fest, dass Wandern bei Weitem nicht so hungrig macht wie Radfahren – zum Glück 🙂

Blick ins Tal...

Blick ins Tal…

...und auf den Gipfel

…und auf den Gipfel

Steile Abhänge und viele Wanderer

Steile Abhänge und viele Wanderer

Über ein paar Gebirgsbäche...

Über ein paar Gebirgsbäche…

...über ein Geröllfeld...

…und ein Geröllfeld…

... bis hoch zu den Torres (und welcher von euch ist nun B'elanna?)

… bis hoch zu den Torres (und welcher von euch ist nun B’elanna?)

Ja, als wir endlich oben waren, waren wir glücklich.

Ja, als wir endlich oben waren, waren wir glücklich.

Der nächste Tag fing für mich übel an. Ich hatte von der 10 stündigen Wanderung solchen Muskelkater in den Waden, dass gerade beim bergabgehen jeder Schritt schmerzte und ich nur mit winzigen Minischritten vorankam. Zusätzlich lastete der Rucksack ungewohnt schwer auf unseren Schultern. So brauchten wir für die extrem großzügig angegebenen 4 Wanderstunden tatsächlich 6 und kamen völlig fertig beim Zeltplatz an, ich mit Muskelkater und Dennis mit Schulterzerrung. Als ich dann auch noch unser mühselig zubereitetes Abendessen verschüttete und wir ohne Essen ins Zelt krochen, begannen wir unsere Wanderentscheidung schon zu bereuen. Doch am nächsten Morgen bissen wir die Zähne zusammen und wanderten weiter, bis schließlich sogar am dritten Tag mein Muskelkater verschwand! Die Rucksäcke wurden leichter, die Wanderer weniger, die Strecken anspruchsvoller doch auch landschaftlich reizvoller. Wir kamen an Gletschern vorbei, kreuzten Flüsse, überquerten einen Pass, ertrugen Regen, begrüßten Sonnenschein, bestaunten die sich ständig ändernden Bergspitzen.

Wandern in Blumenwiesen

Wandern in Blumenwiesen

Greifvogel am Campingplatz

Greifvogel am Campingplatz

Verregneter Morgen

Verregneter Morgen

Aber immer wunderschön!

Aber immer wunderschön!

In Sichtweite des Gletschers "Los Perros"

In Sichtweite des Gletschers „Los Perros“

Der Gletscher "Los Perros"

Der Gletscher „Los Perros“

Abwechslungsreicher Aufstieg zum nächsten Gletscher

Abwechslungsreicher Aufstieg zum nächsten Gletscher

Kleiner Gletscher zwischendurch

Kleiner Gletscher zwischendurch

Blick ins Tal über ein Geröllfeld

Blick ins Tal über ein Geröllfeld

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Am Grey-Gletscher

Am Grey-Gletscher

Sagenhafter Ausblick auf den "Grey"

Sagenhafter Ausblick auf den „Grey“

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Der "Grey" von nahem

Der „Grey“ von nahem

Der Gletscher bildet am Südende einen See

Der Gletscher bildet am Südende einen See

Die Strecke bleibt abenteuerlich

Die Strecke bleibt abenteuerlich

Ab und zu gibt es ein paar  Waldbewohner zu bewundern

Ab und zu gibt es ein paar Waldbewohner zu bewundern

Am anderen Ende des Grey-Gletschers

Am anderen Ende des Grey-Gletschers

Die zweite Hälfte unserer Tour führte durch das touristisch zugänglichere „W“ und wir begegneten plötzlich wieder jeder Menge Leuten. An einem Regentag blieb Dennis im Camp zum Lesen und ich machte mich allein auf zum Mittelteil des „W“, einem Aussichtspunkt in der Mitte des Gebirges. Die Stille um mich herum war wundervoll und nach dem ganzen Wandertraining kam ich ohne Rucksack beschwingt und schnellen Schrittes voran. Auf einmal überholte ich Leute und stellte überrascht fest, dass Wandern auch ein Wettbewerb ist. Zum Teil zog sich das Überholen über Minuten dahin, weil entweder der Weg blockiert wurde oder die Wanderer vorne plötzlich ein schnelleres Tempo versuchten. Mein Ziel, der Aussichtspunkt, hatte leider fast keinen Reiz im Regen und so machte ich mich schnell wieder auf den Weg nach unten. Nach 8 Tagen waren wir wieder an unserem Ausgangspunkt angelangt, wir hatten die Umrundung geschafft, sogar schneller als geplant!

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Fingerhut am Wegesrad

Fingerhut am Wegesrad

Treibende Eisschollen des Gletschers auf dem gleichnamigen See

Treibende Eisschollen des Gletschers auf dem gleichnamigen See

Ein unglaubliches Zwielicht...

Ein unglaubliches Zwielicht…

Der Abstieg zum Lago Pehoé

Der Abstieg zum Lago Pehoé

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Aufstieg zum Gletscher Francés

Aufstieg zum Gletscher Francés

Lago Nördenskjöld

Lago Nördenskjöld

Und noch ein paar Flamigos

Und noch ein paar Flamigos

Dennis hatte die Umrundung jedoch lediglich „überlebt“ und empfand das Bergwandern als Vernichtungsmaschine für unsere Ausrüstung. Seine Bilanz unseres Ausflugs, zusätzlich zu den oben erwähnten Fahrradteilen:

  • Hosenbeine von zwei Hosen in Fetzen
  • Das Kabel für unser Solarladegerät gab mal wieder den Geist auf
  • Riss in der Zelttasche
  • Zwei Heringe komplett verbogen
  • Budget komplett gesprengt: ca. 25 Euro Eintritt p.P und ca. 15 Euro Übernachtungsgebühr pro Tag.

Wir nahmen unsere Fahrräder wieder in Empfang und reisten nach Argentinien ein, mit dem Ziel El Calafate und der dortigen Touristenattraktion, dem Perito Moreno Gletscher. Da wir endlich mal Richtung Osten fuhren (Rückenwind!), warteten wir bis zum Nachmittag und ließen uns vom heftigen Rückenwind den Weg entlangrollen. Da es noch ganz leicht nach unten ging fuhren wir fast ohne zu treten mit 20 bis 30 km pro Stunde nach Tapi Aike. Dort konnten wir bei einem Häuschen von Straßenbauarbeitern zelten und deren Küche benutzen. Natürlich trafen wir dort auch wieder Radler – besonders angenehme Zeltplätze sprechen sich herum. Nach einer weiteren Strecke Schotter erreichten wir wieder ein Straßenbauhäuschen und andere Radler. Hier konnten wir in einer Hütte schlafen und sogar duschen.

Ein Nandu

Ein Nandu

Ein Schrein für Gauchito Gil, argentinischer Schutzpatron der Reisenden.

Ein Schrein für Gauchito Gil, argentinischer Schutzpatron der Reisenden.

Schotterpiste zwischen Tapi Aike und El Cerrito

Schotterpiste zwischen Tapi Aike und El Cerrito

Übernachtungshütte der Vialidad iin El Cerrito

Übernachtungshütte der Vialidad iin El Cerrito

Jetzt mussten wir wieder nach Westen weiter und das bedeutete eigentlich Gegenwind. Wir brachen also früh auf und konnten unser Glück kaum fassen. Der Wind hatte gedreht und wir hatten tatsächlich noch einmal Rückenwind. So kamen wir einen Tag früher als geplant in El Calafate an. Zunächst fanden wir kostenlosen Unterschlupf in einer zum Teil niedergebrannten Hippie-WG, doch wegen einer großen Party, für die jeder Platz benötigt wurde, zogen wir auf einen nahegelegenen Campingplatz.

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Blick auf den Lago Argentino, ca 70 km vor El Calafate

Blick auf den Lago Argentino, ca 70 km vor El Calafate

El  Calafate scheint eine Stadt zu sein, die ausschließlich für Touristen gebaut ist. Überall gibt es teure, süße Souvenirläden. Die Outdoorläden bieten Hightechwaren an, die sich die Einheimischen kaum leisten können und schon vor dem ersten klassischen Radladen wurden wir vor den Preisen gewarnt. Die Geschäfte, die wir suchten, um unsere kaputte Ausrüstung reparieren zu lassen, befanden sich jedoch häufig in Privathäusern und waren billig. So klopften wir an eine Wohnungstür und wurden zu einer Werkstatt im Hinterhof geführt, wo unsere Räder begutachtet wurden und wir mit einem Set Ersatzschrauben und einem Ersatzkabel für die Lenkertasche ausgestattet wurden. Unser Kabel für das Solarladegerät wurde in einem langwierigen Prozess repariert, leider mit dem unerklärlichen Nachteil, dass sich unser Handy nicht mehr laden lässt. Auch Dennis Wanderschuhe wurden geflickt.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Bus zum Gletscher. Nicht die Länge des Gletschers warf uns um, das kannten wir schon vom Greygletscher im Torres del Paine Park. Aber die 50 – 60 Meter hohe Gletscherkante, aus der immer wieder tosend große Stücke herausbrachen, beeindruckte uns sehr. Die Eisschollen glitzern in intensiven Blautönen. Wir hatten ein paar Stunden Zeit, den Gletscher aus verschiedenen Perspektiven zu bewundern.

Der Perito Moreno Gletscher.

Der Perito Moreno Gletscher.

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Atemberaubend, so von nahem

Atemberaubend, so von nahem

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Kleine Eule oder Kauz

Kleine Eule oder Kauz

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Hin und wieder lösen sich geräuschvoll Stücke om Gletscher. Trotzdem wächst der Gletscher immer wieder nach.

Hin und wieder lösen sich geräuschvoll Stücke om Gletscher. Trotzdem wächst der Gletscher immer wieder nach.

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Als nächstes führt uns unser Weg nach El Chaltén, wieder mal ein Wanderparadies…

verfasst von martina

Übrigens haben wir unsere Statistik-Seite auch mal um ein paar Bilder erweitert, nur für den Fall, dass das interessant ist für euch…